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Ein Beitrag unserer Kollegin Anke Kusch, bei der auch die Rechte für Text und Bilder liegen. Frau Kusch hat sich auf diesem Gebiet fortgebildet und bietet die Blutegeltherapie in unserem Hause an.

 

Blutegeltherapie = Blutekeltherapie?
Blutegel? Iiiiih?
Blutegel im Wasserglas
Blutegel im Wasserglas

Der Blutegel gehört zu den Ringelwürmern und ist, man glaubt es kaum,  somit verwandt mit dem Regenwurm.

Er ist ein Zwitter. Das bedeutet geschlechtsreife Egel können andere befruchten oder von anderen befruchtet werden und Eier ablegen.
Es gibt weltweit ca. 600 blutsaugende Egelarten, von denen etwa 15 medizinisch eingesetzt werden. In West-Europa werden Hirudo verbana und Hirudo medicinalis am häufigsten verwendet.
Alle im Wasser lebenden Egelarten können eine zeitlang ohne Sauerstoff aus der Luft auskommen und überleben. Sie beziehen den benötigten Sauerstoff dann aus dem Wasser, um zu Atmen.
Definitiv verenden sie aber schnell ohne Flüssigkeit.
Der Egel benötigt saubere und naturbelassene Gewässer, da er sehr empfindlich auf Umweltbelastungen reagiert.
Wichtig!: Blutegel unterliegen dem Artenschutz, und dürfen somit nicht ohne Weiteres ein-oder ausgeführt werden. Für die Ein- oder Ausfuhr aus nicht medizinischen Gründen wird eine „Cites-Bescheinigung“ benötigt!
Hirudo hat an beiden Enden Saugscheiben, mit denen er sich am Wirt festhalten kann, ist aber nur am Kopfende in der Lage Blut zu saugen. Er ernährt sich ausschließlich von Blut!
Da der Blutegel an seiner Oberlippe über Thermo-, Chemo- und Berührungsrezeptoren verfügt, kann er sich leicht seine bevorzugte Stelle auf der Haut für seine Blutmahlzeit aussuchen. Er erkennt somit wärmere, stärker durchblutete Hautareale; kann erkennen, ob toxische Substanzen über die Haut ausgeschieden werden oder ob eine veränderte Hautspannung vorliegt.
Neue oder alte Methode?
Die Blutegeltherapie gehört zu den ältesten Heilmethoden überhaupt (Müller, 2002).
Nachweislich wird der Blutegel in der Heilkunst schon seit ca.3000 Jahren eingesetzt.
Erfolgreiche Dokumentationen findet man in Bereichen der indischen und der chinesischen Medizin. Auch die alten Griechen und unsere Vorfahren aus dem Mittelalter behandelten schon erfolgreich Arthrosen, Gicht, Krampfader, etc mit den kleinen blutsaugenden Helfern.
Erstaunlicherweise wurden sie vor allem auch in der Armee zur Wundheilung und Sepsisprophylaxe benutzt. Im 18. Jhd wurden sie so exzessiv benutzt, dass es in Westeuropa fast zu einem Aussterben der Arten kam. Weiterhin wurden im 19. Jhd in Frankreich jährlich fast 100 Millionen Blutegel verwendet, oft leider nicht sinnvoll und zweckmäßig, was der Arterhaltung nicht zu Gute kam.
Im Gegensatz dazu, wurde zu Beginn des 20. Jhd die Medizin fortschrittlicher, und der Blutegel geriet mehr und mehr in Vergessenheit.
Zu unser aller Wohl, wurde in den letzten Jahren immer mehr über die heilende Wirkung und seine Eigenschaften, wie zum Beispiel die Zusammensetzung seines Speichels, bekannt und die kleinen Helfer könne sinnvoll und auch maßvoll eingesetzt werden.

Was machen die eigentlich?

Blutegel beim Saugakt
Blutegel beim Saugakt

Bei der Blutmahlzeit des Egels werden verschiedene Substanzen im Speichel (so genannte Saliva) in das Blut bzw. umliegende Gewebe abgegeben.

Man nimmt an, dass im Speichel des Egels ca 30-100 unterschiedlichste Substanzen stecken. Bisher sind nur 8 bekannt. Generell werden beim Zubeißen, beim Saugen und auch beim Loslassen diverse Sekrete ausgeschüttet.
Hier einige davon:
Hirudin:
stark gerinnungshemmend, direkter Hemmstoff des Thrombins, wirkt nur kurzzeitig und hält das Blut vor allem für die Nahrungsaufnahme flüssig.
Calin:
Stark gerinnungshemmend, wirkt länger als Hirudin, sorgt für eine ausreichende Nachblutung und somit Wundreinigung
Hyaluronidase:
Setzt die Permeabilitätsbarriere herab und erleichtert somit den Durchtritt der Wirkstoffe durch Zell- und Gefäßwände, wirkt leicht antibiotisch
Weitere:
Histaminähnliche Substanzen erweitern die Gefäße und der Egel wird so durch den schnelleren Blutfluss schnellstmöglich mit Blut versorgt.
Bdellin, Egline und Kollagenase wirken teils gerinnungshemmend, teils entzündungshemmend, teils wachstumsfördernd für Neurite.
Weitere Wirkungen und Substanzen werden zurzeit noch untersucht.
FAQ:
Wie reagiert mein Tier auf die Behandlung?
Menschen beschreiben den Biss des Egels als nicht besonders schmerzhaft, ähnlich eines kleinen Insektenstichs.
Die Tiere zeigen während der Behandlung in der Regel keine Abwehrreaktion, meist liegen sie sehr entspannt und dösen sogar ein. Es ist keine Rasur des Fells erforderlich.
Wie lange dauert die Behandlung?
Die Mahlzeit eines Egels dauert ca. zwischen 15-max.120 min.
Es ist Geduld gefordert, ja, aber man muss unbedingt warten, bis der Egel von alleine abfällt.
Wartet man nicht und der Egel wird gewaltsam abgelöst, kann es zu schwerwiegenden Entzündungen kommen.
Was passiert nachdem der Egel abgefallen ist?
Durch den Speichel des Egels ist die Blutgerinnung herabgesetzt, was bedeutet, dass die Bissstelle bis zu 36h nachbluten kann. Dies schreckt viele Patientenbesitzer ab, sieht aber schlimmer aus, als es ist.
Je nach Größe des Egels, und natürlich auch angepasst auf den Patienten, werden insgesamt bei der Mahlzeit und der Nachblutung ungefähr 50ml-100ml Blut verloren.
Wenn die Blutung aufgehört hat, fängt die Wunde an zu verkrusten und die Umgebung des Bisses weist noch bis zu drei Tagen eine erhöhte Gewebedurchblutung auf. Manchmal wird dadurch Juckreiz ausgelöst, allerdings ist dadurch auch eine bessere Zellernährung und Entgiftung gewährleistet.
Die entstandenen Krusten sollten auf keinen Fall abgelöst werden und das Tier sollte am Bekratzen der Wundstellen gehindert werden.
Was passiert mit den Blutegeln nach der Behandlung?
Die Blutegel fallen seit 2006 unter das Arzneimittelgesetz und werden somit nach §2 Abs. 1Nr.1 als Fertigarzneiarzneimittel behandelt. Leider müssen sie seit diesem Zeitpunkt human getötet werden und dürfen nicht wieder verwendet werden, da die Gefahr einer Kontaminierung mit Keimen zu groß ist.
Da die Egel bei Kälte in eine Stoffwechselruhe fallen, ist die Tötung durch Einfrieren wohl die humanste Methode.
Weiterer Verlauf?
Nach der Behandlung kommt es häufig zu einer Spontanverbesserung. Das Tier zeigt also direkt nach der Behandlung eine deutliche Linderung seiner Beschwerden.
Dies trifft vor allem auf chronische Krankheitsprozesse zu, bei denen sich viele Schlacken, Lymphstauungen und Durchblutungsstörungen am Ort des Übels anreichen. Der erste kleine Aderlass bewirkt eine schnelle Erleichterung.
Aber Achtung! Dies hat mit der eigentlichen Heilung noch nichts zu tun, diese wird lediglich eingeleitet. Die echte Regeneration dauert weitaus länger und fordert Geduld. Diese wird aber reich belohnt!
Des Weiteren können, wie in den meisten alternativen Behandlungsmethoden, Symptome der Erstverschlimmerung auftreten. Das bedeutet, die Beschwerden verschlimmern sich zunächst, und zwar in der Regel ca. 24h nach der Blutegelbehandlung und können zwei Tage andauern. Dann aber verschwinden sie rasch. Die Erstverschlimmerung zeigt die Wahl des richtigen Mittels an. Dauern die Beschwerden länger als zwei Tage an, sollte der Therapeut aufgesucht werden.
Muss die Behandlung wiederholt werden?
Tritt eine Spontanverbesserung ein, kommt es ein paar Tage später wieder zu einer Verschlechterung der Symptome. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt eine weitere Behandlung durchzuführen, jetzt nämlich beschäftigt sich der Organismus eindeutig mit dem Problem.
Dieser Rhythmus wird bis zur vollständigen Ausheilung wiederholt.
Die Spontanverbesserungen werden mit der Zeit immer schwächer und die Wirkung in der Tiefe beginnt. Jetzt tritt eine langsame, immer länger anhaltende Verbesserung ein. So werden die Behandlungsabstände immer größer.
Gibt es Nebenwirkungen?
Keine Behandlung ist grundsätzlich ohne Nebenwirkungen. Diese beziehen sich aber meist auf falsche Handhabung während der Behandlung oder durch falsche Angaben der Besitzer bei der Voruntersuchung.
Zu den Nebenwirkungen zählen:
Allergische Reaktionen, die sich in lokalem Juckreiz und einer Schwellung in der  Umgebung der Bissstelle äußern können.
Wundinfektionen, durch Keime, wie zum Beispiel Aeromonas hydrophila.
Sekundärinfektionen, meist nach voreiliger Entfernung der Kruste oder durch Manipulation der Wunde durch das Tier.
Unkontrollierte Blutungen können vorkommen, wenn der Egel eine oberflächliche Arterie erwischt oder die Blutgerinnung des Tieres gestört ist. Ein Druckverband beendet diese aber schnell.

Bei welchen Erkrankungen hilft die Therapie?

Blutegeltherapie kann auch mit Akkupunktur verknüpft werden
Blutegeltherapie kann auch mit Akkupunktur verknüpft werden

Bei Hund und Katze gibt es zahlreiche Indikationen, bei denen die Therapie mit Blutegeln hervorragende Erfolge bringt (bei Pferden und anderen Tieren natürlich auch!), dazu gehören unter anderem:

  • Diskopathien (Bandscheibenerkrankungen)
  • Entzündungen der Gesäugeleiste
  • Hüft-oder Ellbogengelenksdysplasie
  • Leckekzem, Hot Spot und Ekzeme allgemein
  • Abszesse
  • Lumbago und Ischialgie
  • Weitere Entzündungen der Nerven
  • Schlechte Wundheilung
  • Postoperative Verbesserung der Narbenbildung (v.a. Hündinnen nach der Kastration)
  • Spondylosen
  • Arthrosen
  • Arthritiden
  • Entzündungen, Verletzungen der Sehnen, Bänder und Muskeln
  • Entzündliche Ödeme
  • Entzündliche Zeckenbisse
  • Venenstauungen
  • Verbesserte Heilung nach Amputation
Gibt es Erkrankungen oder Indikationen, die nicht behandelt werden sollten oder können?
  • Anämie (Blutarmut)
  • Arterielle Verschlussstörungen
  • Blutgerinnungshemmende oder blutverdünnende Medikamente
  • Blutgerinnungsstörungen (im allgemeinen)
  • Diabetes mellitus
  • Fieber
  • Bekannte Allergien auf Histamin
  • Kachexie
  • Leukämien
  • Magengeschwür
  • Maligne Tumoren
  • Medikamente der Parasitenabwehr / Repellents
  • Quecksilberhaltige Medikamente
  • Schmerzmittel

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